Wie meistern wir „das wichtigste Marketingprojekt“ unseres Lebens? Und was ist „Jump“?
„Guten Tag, mein Name ist Lars Grewe, draußen steht mein schwarzer Porsche Tiger, meine Frau ist gerade Miss Germany geworden…“ Der Schnellsprecher mit dem Eisbären-Schlips (= Lars Grewe) macht eine effektvolle Pause und guckt prüfend in die Klasse. Zehntklässler der KGS Stuhr-Brinkum. „Und?“ fragt er. „Was denkt Ihr über jemanden, der sich so vorstellt?“
Was soll ich sagen... Telefonieren gehört für die meisten von uns zum täglichen Leben. Außer, wenn jemand am anderen Ende ist, von dem wir was ganz Wichtiges wollen. Zum Beispiel einen Ausbildungsplatz. Bewerbungstrainer Lars Grewe spielt die Situation mit Zehntklässlern aus Stuhr durch.
Was erwartet er jetzt? Betroffenes Schweigen? Schüchterne Schwindeleien, weil er ein Erwachsener und damit eine Respektsperson ist?
„Is' doch klar, was ich über so jemanden denke“, platzt es aus Nadine (16) raus: „Arschloch!“ „Nein, wieso?“ regt sich Katharina (17) auf, „er hat 'n geiles Auto, er hat 'ne geile Ische ...“ „Ja“, unterbricht Yasmin (17), „aber bestimmt nix im Kopp, wenn der sich schon so vorstellen muss.“ „Is' doch egal“ , meint Wiebke (16). „Hauptsache, er hat Kohle!“
Lars Grewe grinst. Eine selbstbewusste, diskutierwütige Klasse. Aber sie haben 's verstanden. „So eine Vorstellung kommt nicht gut an. Der Trick ist“, Grewe sieht verschwörerisch in die Menge, „Ihr müsst Eure Fähigkeiten rüberbringen, ohne dass es der andere merkt und denkt, Ihr lügt oder übertreibt.“
Bis wir aber überhaupt erst mal so weit sind, im Bewerbungsgespräch irgendwas von unseren Fähigkeiten zu erzählen, müssen wir erst über ein paar Felsen klettern: Als was soll ich mich bewerben? Und wo? Und vor allem: Wie?
Plastikhefter her… Betreff: Bewerbung... Sehr geehrte Damen und Herren... Hiermit bewerbe ich mich um... Seriöses Passbild vor der changierenden Foto-Tapete machen lassen, oben rechts festklammern. Firmen-Adresse auf den Umschlag, Briefkasten suchen, ab dafür. Und dann: Warten.
Lars Grewe würde uns jetzt bestimmt gerne mitsamt unserer genialen Post in den Briefkasten quetschen. Zumindestens, wenn wir sein Bewerbungstraining „Jump“ („Just more profess ionally“) besucht hätten. Dann müssten wir es nämlich besser wissen.
Die Schüler aus Stuhr haben jedenfalls, als sie aus dem Seminarraum kommen, Antworten auf viele Fragen wie: Anrufen oder abwarten? Angeben oder zu rückhalten? Schwarz-Weiß oder Farbe? Einscannen oder festtackern? Lächeln oder sachlich sein?
„Eure Bewerbung ist das erste und wichtigste Marketingprojekt in Eurem Leben“, beschwört Grewe die Klasse. Und deswegen: „Nehmt Euch Zeit dafür! Entwerft ein kreatives Deckblatt - mit einem Logo aus Euren Initialen, einem guten Zitat oder einem schönen Grafik-Element drauf. Und feilt an Eurem Anschreiben – das kann ruhig zwei Wochen dauern - aber das muss gut sein.“
Von 8.30 bis 12.30 Uhr dauert das Bewerbungstraining. für das sich alle Schulklassen in Niedersachsen bewerben können. Im letzten Jahr waren es 260 Klassen, bestimmt auch einige von Eurer Schule.
Den ganzen Morgen lernen, und keiner langweilt sich - klingt komisch, oder? Ist aber wirklich so. Naja, das Thema betrifft ja auch jeden, der älter als 15, 16 ist. Wer wie Nadine „schon ganz Bremen nach einem Ausbildungsplatz durchgeklingelt“ hat, oder wie Hacky dieses Jahr abgehen will, der kennt die Unsicherheiten: Eigentlich ist man ein kreativer Mensch, aber da sitzt man jetzt vor diesem weißen Blatt... Sein Leben lang ist man selbstbewusst, aber wenn man seine Stärken vermarkten soll, stottert man leerköpfig rum und weiß nichts mehr - gibt's da überhaupt Stärken? Oder der Typ hinter'm Schreibtisch sagt einfach, er hätte schon jemanden anderes für die Stelle. Ist das dann das Ende?
Nein. Glaubt man jedenfalls, wenn man aus dem „Jump“-Training kommt und Bescheid weiß über Farbwahl für Bewerbungsmappen und das perfekte Bewerbungsfoto. Wenn man Stolperfallen wie Körperhaltung, spontane Telefonate und Stressgespräche mit einem durchgeknallten Psycho-Chef schon mal in der Simulation durchgespielt hat. Dann scheint Sicherheit nur noch eine Übungssache zu sein.
Schritt für Schritt zum Traumjob
1. Schritt: Recherchieren
Finde alles über die Firma raus, bei der Du arbeiten möchtest (Internet, Broschüren, Bekannte fragen, vorbeigehen, ansehen). Wer ist Dein Ansprechpartner? Merk Dir den Namen für Deine Bewerbung.
2. Schritt: Anvisieren
Ruf an oder geh mal vorbei. Frag, ob Du Deine Bewerbung abgeben darfst, zeig Interesse.
3. Schritt: lnteressieren
Versucht Dich jetzt schon jemand abzuwimmeln, gib nicht gleich auf. Du kannst z.B. einen Termin vereinbaren, der dem anderen besser passt. Wenn im Moment keine Stelle frei ist, fragst Du nach einem Praktikumsplatz in den Ferien (da kannst Du Kontakte knüpfen, zeigen, was Du kannst, und der Chef denkt: „Hm! Wer freiwillig in den Ferien arbeitet, ist bestimmt engagiert“). Beleidigt sein, wenn jemand unfreundlich ist, bringt Dir gar nichts. Du wirst, wenn Du den Job erstmal hast, nicht viel mit dem Chef zu tun haben.
4. Schritt: Investieren
Du brauchst: Zeit, ein gutes Foto, auf dem Du sympathisch wirkst, und die richtige Mappe. Lass Dir im Schreibwarengeschäft die Bewerbungsmappen zeigen, und nimm nicht gleich die billigste. Überleg Dir, welche Farbe zum Unternehmen passt – wie sieht denn das Firmenlogo aus?
5. Schritt: Formulieren
Du musst in dem Riesenstapel sofort auffallen. Und das nicht durch schlechte Rechtschreibung - oder dadurch, dass Du den Namen von Deinem Ansprechpartner nicht kennst. Entwerfe eine originelles Deckblatt, beginn Dein Anschreiben ungewöhnlich, fröhlich und engagiert („Hiermit bewerbe ich mich um…“ ist nicht sehr ungewöhnlich).
6. Schritt: Kontaktieren
Bring' die Bewerbung persönlich vorbei oder ruf nach ein paar Tagen an und erkundige Dich, ob sie angekommen ist und ob der Chef noch irgendwas anderes von Dir benötigt.
Wie telefoniere ich, wenn ich einen Job haben will?
Wir haben alle ein Handy. Wir können alle telefonieren. Mit der Freundinnen oder dem besten Kumpel kein Problem,. aber mit dem zukünftigen Chef? Ein paar wichtige Tipps aus dem „Jump“-Training:
- Der Biorhythmus: Wenn Du ein Morgenmuffel bist, kannst Du Dich um acht wahrscheinlich noch nicht so gut konzentrieren wie um 16 Uhr und hast noch eine krächzende Blechstimme. Aber denk' an Mittagspause und Öffnungszeiten der Firma.
- Die Vorbereitung: Überleg Dir, was Du sagen willst. Leg Dir Schreibzeug hin, notier den Namen.
- Die Priorität: Ruf erst Firmen an, bei denen Du nicht sooo gerne arbeiten möchtest. Zur Übung. Die besten zum Schluss, dann bist Du sicherer.
- Die Hintergrundatmosphäre: Schalt alles aus, was stört: Klopffunktion im Telefon, Faxpiepen, reinplatzende Geschwister…
- Die Atemtechnik: Hol tief Luft und versuch', ruhig und langsam zu sprechen, das hilft gegen die Nervosität.
- Die Stimmtechnik: Telefoniere im Stehen, lächel' am besten dabei, dann klingt die Stimme kräftiger.
- Die Zurückhaltung: Unterbrich Deinen Gesprächspartner nicht.